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Brigitte Sell-Kanyi Rechtsanwältin

Bußgeldbescheid mit Fahrverbot – sind Auswege möglich?

01. Jul 2013

Wer mit erhöhter Geschwindigkeit in eine Radarfalle rast, kann nicht damit rechnen, dass es ihm ebenso (gut) ergeht wie den Temposündern, die in der Vergangenheit von einem Herforder Richter überraschend freigesprochen wurden. Die Freisprüche waren einzigartig, denn der Richter hatte sie damit begründet, dass viele Blitzer bloße Abzocke des Staates seien. Tatsächlich hat man oft den Eindruck, dass Radarfallen in erster Linie zum Abkassieren installiert werden, zumal sie sich oft nicht an Gefahren- oder Unfallhäufungsstellen befinden.

Bußgeldbescheid mit Fahrverbot

Wenn es den Betroffenen zusätzlich bei gravierenden Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (mehr als 30 km/h innerorts oder mehr als 40 km/h außerorts) mit einem Fahrverbot von einem bis zu drei Monaten trifft, wird es kritisch. Mobilität ist in den heutigen Zeiten ein hohes Gut und von grundlegender Bedeutung für unsere Lebensweise, daneben für viele Bürger eine Voraussetzung für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit. In aller Regel ergeht nach einem Anhörungsverfahren der Bußgeldbescheid, gegen den der Betroffene innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen kann. Häufig ist die Verkehrsordnungswidrigkeit verjährt. Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr verjähren schon nach drei Monaten. Die Bußgeldstelle muss zunächst den Fahrzeugführer ermitteln, was dann nicht so einfach ist, wenn der Halter nicht selbst gefahren ist. Angesichts dessen können Ermittlungen einige Wochen oder gar Monate andauern, so dass inzwischen Verjährung eintritt.

Messfehler

Oft ergibt sich aus der einzusehenden Ermittlungsakte sogar ein Messfehler, der die Messung unverwertbar macht. Endgültig wird dies nur durch einen Sachverständigen aufzuklären sein. Besonders kritisch sind Messungen der Messgeräte Traffipax Speedophot, Poliscan Speed, Traffiphot-S, ESO ES 1.0 und ES 3.0 zu betrachten. Bei letzterem Gerät halten einige Amtsgerichte die Messungen mit ESO 3.0 für unverwertbar, weil die Firma ESO nicht offen legt, wie das Messgerät ES 3.0 funktioniert, so dass die Betroffenen freigesprochen worden sind. Eine Überprüfung der Bußgeldbescheide lohnt sich folglich immer bei den zuvor benannten Messgeräten.

Aufhebung des Fahrverbotes

Erfolgte die Messung ohne erkennbare Fehler und war die Ordnungswidrigkeit auch nicht verjährt, so kann es dennoch gelingen, das Fahrverbot wegfallen zu lassen. Hat der Betroffene nur fahrlässig das Verkehrszeichen oder das Ortseingangsschild übersehen, so liegt keine grobe Pflichtverletzung vor, so dass nach ständiger Rechtsprechung kein Fahrverbot verhängt werden darf. Ansonsten kann das Fahrverbot zumindest gegen angemessene Erhöhung der Geldbuße entfallen. Ergibt sich aus der Verhängung des Fahrverbotes für den Betroffenen eine wirtschaftliche Existenzgefährdung oder außergewöhnliche Härte, so würde es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Das Fahrverbot kann also entfallen, wenn der Betroffene die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zu befürchten hätte oder ein Selbständiger für die Dauer des Fahrverbots praktisch ohne Einnahmen wäre und deshalb zu befürchten ist, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt werden müsste. Sinnvollerweise sollte sich der Betroffene die Gefahr der Kündigung und damit verbundenen Existenzvernichtung von der verantwortlichen Person (Personalabteilung, Geschäftsleitung) bestätigen lassen. Eine unzumutbare Härte kann darüberhinaus vorliegen, wenn ein Betroffener aus gesundheitlichen Gründen oder weil er kranke Angehörige versorgt in stärkerer Weise auf die Nutzung eines Fahrzeugs angewiesen ist. In diesen Einzelfällen ist es dem Betroffenen oder ihm nahe stehenden Dritten nicht zumutbar, für Arztbesuche auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen.

Nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamm vom 24.07.2012 -III-2RVS 37/12 kann von einem Fahrverbot auch dann abgesehen werden, sobald zwischen der Tat und der Verhandlung über zwei Jahre liegen. Hervorzuheben in dieser Entscheidung ist, dass nicht die amtsgerichtliche Verhandlung, sondern die Rechtsmittelverhandlung zur Berechnung des Zeitraums herangezogen wurde. Zugleich betont das OLG aber auch, dass etwas anderes dann gelten kann, wenn der Betroffene in vorwerfbarer Weise das Verfahren verzögert und erst dadurch den Zeitablauf erwirkt. Allerdings zählt hierzu selbstverständlich nicht das Ausschöpfen von Rechtsmitteln sowie jeglichen strafprozessualen Rechten durch den Betroffenen.

Fazit:

Der Betroffene sollte einen Bußgeldbescheid wegen überhöhter Geschwindigkeit, welcher gegebenenfalls noch mit einem Fahrverbot gekoppelt ist, aufgrund bestehender fomalrechtlicher und materiellrechtlicher Angriffspunkte nicht ohne Weiteres hinnehmen, insbesondere dann, wenn der Betroffene über eine Rechtsschutzversicherung für Verkehrssachen verfügt.

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